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Mann muss sie einfach mögen, die Aigner Ilse: hübsch, mit diesem weichen, so gemütlichen bayerischen Tonfall, so „weiblich“ im öffentlichen Auftreten, so zurückhaltend bescheiden, fast ohne jeden schrillen Klang, so jovial leutselig und gar nicht auftrumpfend. Natürlich fall ich auch jedes Mal drauf rein.

Knallhart, aber leise auf Kurs

Dabei geht sie knallhart ihren Weg. Das hat man schon letztes Jahr kaum gemerkt, dass sie völlig geräuschlos andere CSU-Granden beim Kampf um den Bezirksvorsitz in Oberbayern ausbremste. Der/die oberbayerische Bezirksvorsitzende ist die mächtigste Person, wenn es um die Frage geht, wer bayerischer Ministerpräsident/in wird oder bleibt. Der damalige Finanzminister Fahrenschon und die öffentlich als ehrgeizig gebrandmarkte Sozialministerin Hadertauer zogen ziemlich kleinlaut den Kürzeren. Fahrenschon hat danach überhaupt jede Lust auf Landespolitik verloren und innerlich gekündigt, weil sein Chef Seehofer ihm die Grenzen aufgezeigt hatte.

Lustig ist, wie unterschiedlich die Urteile in den Medien ausgefallen sind. Bei Aigner gilt das stille Hinter-den-Kulissen-Strippen-Ziehen als Bescheidenheit: „Die besten Chancen jedoch hat ausgerechnet jene Frau, die es am wenigsten auf den Vorsitz abgesehen hat: Ilse Aigner“, fabulierte die SZ – http://www.sueddeutsche.de/bayern/csu-oberbayern-suche-nach-neuem-chef-die-variante-aigner-1.1035274 – am 12. Dezember 2010 in schönster Märchen-Manier. „Anders als Aigner werden den beiden (Hadertauer und Fahrenschon, S.D.) Ambitionen nachgesagt, einmal Ministerpräsident werden zu wollen.“ Fahrenschon dagegen wurde aus demselben öffentlichen Nicht-Auftrumpfen ein Strick draus gedreht: „Dass Fahrenschon um diesen Posten nicht energischer und erfolgreicher kämpfte, war der Nachweis für einen begrenzten Machtwillen“, kommentierte die FAZ am 31.Oktober 2011 – http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/seehofer-befoerdert-die-frauenquote-die-csu-wird-weiblicher-11513312.html.

Begnadete Strippenzieherin

Da war der Münchner Merkur am 1. November 11 schon näher an der Wahrheit dran –http://www.merkur-online.de/nachrichten/politik/georg-fahrenschon-nachfolger-mm-1471647.html. Diesmal ging es um den nächsten Coup von Ilse Aigner, nämlich Fahrenschons Nachfolge als Finanzminister. Der Merkur arbeitete den alten Handstreich nochmals auf und verwies darauf, „dass der eher korrekte als machtgeile Minister es nicht leicht hatte in den letzten Monaten. Bei der Entscheidung über den CSU-Bezirksvorsitz Oberbayern war er es, der überrumpelt wurde. Als Fahrenschon gerade im Flugzeug saß, griff Bundesministerin Ilse Aigner nach dem Posten.“ Nun, bei der Frage, wer wird Finanzminister/in, wiederholte sich das Spiel. Hadertauer sei Seehofers erste Wahl gewesen, hieß es, vermutlich auch von ihr selbst kolportiert. Dann hat Ilse Aigner interveniert, Hadertauer blieb beschädigt zurück. Nachdem auch Fahrenschon weg ist, bleibt nur noch Söder. Warten wir’s ab.

Vor einem Jahr hat sie gleich noch den populären Gauweiler ausgebremst: „auf dem Nürnberger Parteitag vor wenigen Wochen hat sie nicht nur das beste Stimmenergebnis unter allen Bezirksvorsitzenden erzielt, sondern mit ihrem Einsatz für ihren Berliner Kabinettskollegen Ramsauer und gegen den Münchner Tausendsassa Gauweiler ihr Talent beim Schmieden von ursprünglich unwahrscheinlichen Mehrheiten“ bewiesen, sprach ihr die FAZ ihre Anerkennung aus. Die SZ lobte ihr „geschicktes Taktieren“. Sie hat Solidarität demonstriert, die Demontage eines Ministerkollegen abgewendet und allen gezeigt, wo der Bartl den Most holt.

Das nette Gesicht einer knallharten Lobby

Als Verbraucherministerin war sie scheinbar weniger erfolgreich. Sie sei nur eine „Ankündigungsministerin“, heißt es. Renate Künast, die ja mal eine echte Verbraucherschutzministerin war, hat jetzt Bilanz gezogen: „Als Agrar- und Verbraucherministerin ist sie auf ganzer Linie gescheitert. Ihre Politik war im Wesentlichen an den Interessen der Agrarindustrie ausgerichtet. Für die Bauernfamilien ist dabei nichts herausgesprungen – auch nicht in Bayern.“ Aber gerade damit war sie für eine CSU-Landwirtschaftsministerin höchst erfolgreich: Als pragmatische Lobbyistin für die Agrarindustrie agieren und trotzdem bei den Bauern in Bayern beliebt zu sein, das macht ihr so schnell keiner so elegant nach. Und auch die Verbraucherinnen und Verbraucher haben das kaum gemerkt: denn Aigner war z.B. als Verbraucherministerin theoretisch gegen Gentechnik und nur als Landwirtschaftsministerin pragmatisch dafür.

Schlusspunkt einer Strategie der Vorentscheidung

Dass Aigner jetzt wieder in Bayern Politik machen will, ist nur bei Seehofer aus „blanker Not geboren“, wie die SZ schreibt – http://www.sueddeutsche.de/politik/csu-ministerin-aigner-wechselt-nach-muenchen-seehofers-groesster-trumpf-1.1469503. Bei ihr ist das der nächste logische Schritt. Denn schon bei der Eroberung des Bezirksvorsitzes und dann bei Fahrenschon-Nachfolge hat sie die entscheidenden Weichen gestellt. Die Nürnberger Nachrichten kommentierten damals (4. November 2011)– http://www.nordbayern.de/nuernberger-nachrichten/region-bayern/haderthauer-opfer-eines-machtkampfs-1.1631788 –: „Es drängt sich aber der Eindruck auf – und der wird von CSU-Landtagsabgeordneten bestätigt – dass da hinter den Kulissen eine Art Machtkampf getobt hat. Ein Machtkampf, bei dem es zwar auch um das Amt des Finanzministers als solches ging – aber auch darum, wer eine bessere Ausgangsposition bekommt, wenn es darum geht, dereinst einen Nachfolger für Ministerpräsident Horst Seehofer zu finden.“ Jetzt geht es darum, vor Ort zu sein, wenn das Hauen und Stechen um die Seehofer-Nachfolge beginnt: entweder sofort, wenn die CSU wieder verliert, oder spätestens vor der nächsten Wahl. Wer in Berlin ist, ist weit ab vom Schuss, das musste damals der Parteivorsitzende Weigl schmerzlich erfahren, als der bayerische Innenminister Stoiber locker an ihm vorbeizog.

Für Seehofers dagegen ist dieser Rückgriff auf die so beliebte Berliner Ministerin vor der für die CSU möglicherweise alles entscheidenden Landtagswahl 2013 die Mobilisierung der letzten Reserven: ein Körper im Schockzustand konzentriert sich nur noch auf den Notkreislauf, die äußeren Gliedmaßen im fernen Berlin müssen sich einstweilen irgendwie behelfen.

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Am Samstag beginnen die Ökoerlebnistage in Bayern – http://www.oekoerlebnistage.de/ –, sozusagen eine Leistungsschau des Ökologischen Landbaus. Der bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner hat sie zusammen mit der Landesvereinigung für den Ökologischen Landbau in Bayern – www.lvoe.de/ – vorgestellt. Motto ist: „Mehr Öko-Landbau für Bayern: Bio-Regio Bayern 2020“. Brunner hat erklärt, der Ökologische Landbau in Bayern solle „bis 2020 verdoppelt werden.“ Das Ziel kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich bin extra ins Archiv gegangen.

Stoibers Vision: eine Fata Morgana

„Stoiber kündigt 600-Millionen-Mark-Landesprogramm „Verbraucherinitiative Bayern“ an / Sichere Lebensmittel und gesunde Landwirtschaft“, schrieb die Staatskanzlei in ihrer Pressemitteilung vom 14. Februar 2001. Stoiber zeigte sich damals von der BSE-Krise erschüttert: „Ich bin betroffen, welche Auswüchse und Missbräuche bei der Tierhaltung in einzelnen Fällen geschehen sind. Das kann so keinesfalls weitergehen. Deshalb werden wir in Bayern ein eigenes Landesprogramm für die Umstellungsmaßnahmen in der Landwirtschaft in der Größenordnung von 150 Millionen Mark auflegen.“ Das waren noch ganz andere finanzielle Größenordnungen als heute bei Brunner. Stoiber kündigte weiter an: „Neues Verbrauchervertrauen und gesunde Landwirtschaft sollen auch mit dem Aufbau regionaler Vermarktungskonzepte für gesunde Nahrungsmittel „aus der Region und für die Region“ im Umfang von 25 Millionen Mark gefördert werden. Mit 20 Millionen Mark sollen Anreize für einen Umstieg landwirtschaftlicher Betriebe auf den Ökolandbau und eine Verbesserung des Marketings von Ökoprodukten geschaffen werden. Ziel sei, den Anteil des Ökolandbaus von heute drei bis vier Prozent auf zehn Prozent zu steigern.“ Ein Großteil des versprochenen Geldes hat Stoiber dann natürlich nicht für die Ökologisierung der Landwirtschaft ausgegeben. Sie wurden als „Wandermillionen“ (O-Ton Dürr) zur öffentlichkeitswirksamen Bekämpfung der nächsten Krise gebraucht. Denn bevor der Haushalt fertig war, war die nächste Sicherheitskatastrophe da: der 11. September 2001. Prompt wurden die Gelder in das neue Sicherheitspaket umgeleitet.

Flexible Förderpolitik: Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig

Helmut Brunner ist ein netter Kerl, er fährt längst nicht mehr die harte ideologische Linie seiner Vorgänger und ist auch keine Marionette des Bauernverbandes. Aber er wird, trotz aller Nettigkeiten, die Grundlinie der CSU nicht ändern, nämlich fest an der Seite der Agrarlobby und ihrer industriellen Wachstumspolitik zu stehen. Er federt alle konkreten Forderungen nach einer ökologischen Landwirtschaftspolitik ab wie Gummi, eine Art flexible response.

Für den Ökoanbau wird er weiter gerade so viel machen, dass man nicht merkt oder wenigstens nicht beweisen kann, wie er seinen Ausbau hemmt und blockiert. Bestes Beispiel: Gleichzeitig zur Verheißung, die Öko-Produktion zu verdoppeln, kündigt er die Verdreifachung von Biogasanlagen an. Damit ist die Hoffnung des LVÖ-Vorsitzenden Josef Wetzstein auf der gleichen Veranstaltung schon unterminiert. Wetzstein hatte Brunner nämlich gelobt: „In einer für den Ökologischen Landbau schwierigen Zeit, in der die Pachtpreise durch die hohe Förderung der Energieproduktion auf dem Acker enorm hoch sind und durch Spekulationen die konventionellen Getreidepreise explodieren, ist es ein mutiger und notwendiger Schritt, auf eine nachhaltige Entwicklung durch den Ökologischen Landbau zu setzen“. – http://www.lvoe.de/aktuelles/pressemitteilungen/pressemitteilungen/PM_LVOE_Bio_Regio_Bayern_2020.pdf  – Der nette Helmut Brunner wird diesen Schritt so gehen, dass er nicht zu schnell ist und nicht zu viel Mut braucht.

Kein Kurswechsel: Konventionelle Landwirtschaft zuerst

Denn eines hat Brunner ganz klargemacht: Er wird an der grundsätzlichen Ausrichtung nichts ändern. Seine neue Politik sei „kein abrupter Wandel oder Wechsel“. In zehn Jahren habe man die Zahl der Betriebe verdoppelt. Aber jetzt gehe es darum, „das Wachstum zu beschleunigen“, er will weg vom „Schneckentempo“. Weil der Anbau seit Jahrzehnten mit der beschleunigten Nachfrage nicht Schritt halten kann, muss importiert werden, obwohl gleichzeitig in der konventionellen Landwirtschaft massiv und mit staatlicher Unterstützung exportiert werden muss. Das sei „auch im Interesse der konventionellen Bauern, weil ihre Märkte entlastet werden“. Es gehe darum, sich „gegenseitig zu fördern“. Ein bayerischer Landwirtschaftsminister kann selbst vor einem Publikum, das nur aus Biobauern und Vertretern der Biobranche besteht, keinen Satz zugunsten des Ökoanbaus sagen, ohne ihn mit Lobeshymnen auf die konventionelle Landwirtschaft oder der Betonung von indirekten Vorteilen für sie zu rechtfertigen.

Nur im Maße, wie sie ökologisch sind, sind Lebensmittel mehr wert

Lustig ist, dass Brunner auch behauptet, das Thema sei „nicht geeignet für parteipolitische Auseinandersetzungen“. Das ist ein Thema immer dann, wenn die CSU unter Druck kleine oder größere Korrekturen an ihrer falschen Politik vornehmen muss. Ich finde es sehr gut geeignet. Anders als Josef Wetzstein habe ich auch kein Verständnis dafür, dass der Landwirtschaftsminister in seinem Entwurf eines Leitbilds für die Landwirtschaft „den Begriff ökologische Landwirtschaft“ vermieden habe, obwohl das erkennbar am Ökoanbau orientiert sei. Denn das ist wieder nichts anderes als eine Abwertung des Öko- und eine Aufwertung des konventionellen Anbaus: Die politischen Lobbyisten der Agrarindustrie in Bayerns Regierung vermeiden extra eine klare Sprache und so tun, als könnten beide Anbauformen irgendwie „ökologisch“ sein. Die gleiche Masche zieht Brunner auch bei dem Argument ab, dass Lebensmittel in Deutschland bisher zu billig waren: Lebensmittel seien bei uns billiger, Autos teurer als anderswo in der EU. Bei den Autos ist ja wohl klar, dass bei uns – nach bisherigen, aber bereits überholten Standards – die hochwertigsten gebaut wurden. Umgekehrt stimmt halt nicht generell, dass „Lebensmittel mehr wert sind“. Es gibt auch billiges Glump! Nur in dem Maße, in dem sie ökologisch produziert sind, klimaschonend, trinkwasserschützend, tiergerecht, die Umwelt nicht belastend, sind Lebensmittel für Gesellschaft und Verbraucherinnen und Verbraucher mehr wert. Während uns umgekehrt klimabelastende, brunnenvergiftende oder tierquälerische Produktions- und Vertriebsformen formen heute schon zu teuer kommen.