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Ich hab solche Typen schon auf dem Schulhof gehasst: unreif, unsicher, großspurig, aber an Kleineren demonstrieren wollen, wer der vermeintlich Stärkere ist. Feig sind sie meist auch noch, sie gehen mit dem Risiko gerne sichere Wetten ein, das Risiko soll ruhig real sein, aber es darf nicht unmittelbar bestehen. So wie bei Seehofer die Angst, dass ihn die eigenen Leute einst in die Tonne treten. Die ist mehr als real, das wird passieren so sicher wie das Ende von Stoiber, und heute nimmt sich Seehofer darauf schon einen kräftigen Bonus. Mehr als über ihn herfallen können die Loser von heute über ihn, den Loser von morgen, dann auch nicht. Ob sie ihn auch hassen oder nur abservieren ist, ist für ihn als Machtpolitiker egal. Aber er nimmt sich heute noch seinen makabren Spaß, genießt, dass er endlich am Hebel sitzt und kujoniert, wie das in der Fachsprache des Absolutismus heißt, seine Untergebenen: http://www.sueddeutsche.de/bayern/csu-chef-laestert-ueber-finanzminister-wie-seehofer-soeder-demontiert-1.1549042-2. http://www.sueddeutsche.de/bayern/csu-chef-beschimpft-parteikollegen-seehofers-laesterrunde-1.1547999. http://blog.br.de/landespolitik/2012/12/12/seehofers-lastereien/.

Er tritt auf Leute ein, die vor ihm im Staub liegen

Untergebene, also mögliche Opfer Seehofers, sind dabei alle, die in irgendeiner Weise vom Erfolg der CSU unter seiner Führung, die also von ihm, abhängen. Das lässt er diejenigen gerne spüren. Denn das bedeutet ihm viel. Dass so viele von ihm abhängen und ihn nicht abhängen können, selbst wenn er sich höchst schäbig verhält. Bürgerlicher Anstand ist das nicht. Sogar der absolute Herrschertyp der Neuzeit hat sich zu seinem eigenen Schutz Selbstbeschränkungen auferlegt und gegenüber seinen Untertanen Schranken. Aber auch in Seehofers Halbstarken-Zeit konnte man so hinterfotzig kein Held werden. Die Schonung des unterlegenen Gegners nicht zuzugestehen schien erst eine Macke der S-Bahn-Schläger: auf Leute einzutreten, die schon am Boden liegen, dafür muss man sehr wenig Selbstbewusstsein und Empathie aufbringen. Aber dass jemand auf unterlegenen, abhängigen „Freunden“ herumtrampelt, scheint ein völlig neues Phänomen. Wenn es wenigstens nur vermeintlich Mächtige wären, wie Minister, aber Seehofer macht auch vor abhängig Beschäftigten nicht halt.

Er ist ein Star, dank CSU, aber niemand holt ihn raus

Vielleicht ist das tatsächlich ein Zeitphänomen, vielleicht ist es das, was sich in den Firmen abspielt unter dem Begriff „Mobbing“, dass die formal Starken die strukturell Schwachen schikanieren – aus Angst, die Machtverhältnisse könnten sich bald ändern, und weil sie über so gar kein von ihrem Ranking unabhängiges Selbstwertgefühl verfügen. Schon vor ein paar Jahren hat Seehofer in der CSU herumgestochert wie in einem Ameisenhaufen, angeblich auf der Suche nach einem „Aufstand“, von dem er sicher wusste, dass er noch nicht kommen konnte. Vermutlich ist die CSU den anderen Parteien da einfach voraus. Denn Machtkämpfe und Intrigen gab es schon immer, aber neu ist diese Lust am Demonstrieren, am Inszenieren der aktuellen Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse. Eine Prise „Big Brother“ und „Dschungel-Camp“? Vermutlich würde auch Seehofer am liebsten sagen: „Ich bin ein Star. Holt mich hier raus.“ Aber sein Dschungel ist die CSU und nur dort ist er ein Star. Vielleicht strampelt er umso heftiger, weil er so gar keine Chance hat, loszukommen bzw. seine ganze Kraft, die er nun auch teilweise gegen sie richtet, nur der CSU verdankt.

Schon von Anfang an auffällig: Oh wie locker!

Schon im November 2008, bei der Corinne-Buchpreisverleihung, da war er frisch im Amt, ist er auffällig geworden. Er wirkte wie ein tapsiges, tollpatschiges Riesenbaby: „Grins, grins, ich bin gespannt was ich jetzt wieder tue. Oh, was hab ich jetzt Schönes angestellt!“ Damals kam er groß raus, weil er andere locker kleinmachte, als er die Laudatio halten sollte: „Das sind die berühmten Stoiber-Blätter“, zeigte er einen Stapel grüne Seiten vor. „Ich habe in den wenigen Tagen meines neuen Amtes erfahren, dass das Vorlesen dieser Blätter von vielen in der Bevölkerung empfunden wird als Fortsetzung der mittelalterlichen Folter in der Moderne. – Diese Folter erspare ich ihnen.“ Er lässt die eigenen Mitarbeiter nach bekannten Standards Reden schreiben und schmeißt sie dann weg. Desavouiert öffentlich. Erstaunlich wie positiv das ankommt. Schon ist der BR-Reporter Rudi Erhart da und hält mir ein Mikro unter die Nase. Es sei doch toll, von so einem Ministerpräsidenten regiert zu werden. Heftig antworte ich, ich hätte das „menschenverachtend“ gefunden, und ziehe vom Leder und setze am Ende noch ein „beschissen“ drauf. Da ist er erst mal perplex. Später kommt er wieder, erzählt mir, ich hätte eine „Einzelmeinung“, ob er das senden solle? Und er diskutiert mit mir, wie sehr ich falsch läge, wird wütend, als ich etwas einwende von „Witze auf Kosten von anderen“, das müsse gerade ich sagen; worauf ich entgegne, da seien die anderen immer da und könnten sich wehren. Ist das heutzutage so schwer zu unterscheiden?

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Wie soll ich mit meiner schweren Erkrankung umgehen? Für mich war sofort klar, dass ich nicht einfach weitermachen kann, als wäre nichts gewesen. Ich will die Krankheit nicht leugnen und nicht bagatellisieren, sondern so ernst nehmen, wie sie ist. Sie stellt einen massiven Einschnitt dar, auf den ich genauso deutlich antworten muss. Ich wollte also etwas spürbar ändern und mich auf die Wiederherstellung meiner Gesundheit konzentrieren. Als dann letzte Woche die Bewerbung für die Direktkandidatur in meinem Stimmkreis anstand, war für mich die Entscheidung klar: so lange ich nicht weiß, wie es um mich steht, kann ich da nicht antreten. Aber das bedeutet nicht, dass ich mich „aus der Politik zurückziehe“, wie manche schreiben. Ich mache, wenn möglich, weiter meine Arbeit.

Auf offener Bühne

Eine für uns nicht immer erträgliche Eigenheit unseres Politikerberufs ist, dass alles, was wir so tun, mehr oder weniger vor den Augen der Öffentlichkeit stattfindet. Es bekommt dadurch nicht nur ein anderes Gewicht, sondern häufig auch eine völlig andere Bedeutung. So ist die Häufung von Intrigen, Machtkämpfen oder Quertreibereien in der Politik vermutlich kein bisschen größer als anderswo in Betrieben, Verbänden oder Vereinen. Aber hier bekommen alle mit, was in Partei oder Regierung läuft, und die Berichterstattung gibt einer internen oder zunächst harmlosen Äußerung einen ganz anderen Sinn. Das ist einer der Preise, die demokratische Politik zahlen muss.

Das Private ist privat

„Transparenz“ ist unverzichtbar, wenn es um politische Interessen, Prozesse und Vorgänge geht, aber bloß Privates ansonsten öffentlicher Personen geht niemanden etwas an. Die Öffentlichkeit hat ein Recht, zu erfahren, wenn ich meine Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr uneingeschränkt machen kann. Aber niemand hat ein Recht darauf zu wissen, an was ich leide oder wie sehr ich leide. Es gibt keine Politiker-Pflicht, öffentlich zu leiden. Ich verstehe alle, die sich aus Mitgefühl sorgen, sich gerne beruhigen oder gar trösten lassen würden oder sich über die schlechte Nachricht einfach aussprechen wollen. Aber aus Mitgefühl sollten sie das am wenigsten mit mir tun.

Schäbiger Enthüllungsjournalismus

Mit Enthüllungen über Politskandale haben sich manche Zeitungen früher große Verdienste erworben. Aber das ist bei einigen schon eine Zeitlang her. Was ihnen aber geblieben ist, ist dieser Skandalisierungsgestus und das Aufdeckungspathos. Diese Soße gießen sie heute wahllos auf alle Themen, auch auf die Berichterstattung über meinen Gesundheitszustand. Aber was soll das Politische daran sein? Wo ist die Legitimation für die Missachtung meiner Privatsphäre? Wie will man journalistisch rechtfertigen, dass man private Äußerungen aus internen Sitzungen berichtet und öffentliche, auf nichts begründete Vermutungen über Krankheitsdiagnosen anstellt? Ich verlange ja nicht, dass alle Journalistinnen Mitgefühl zeigen oder wissen, was Anstand ist, aber ich verlange, dass sie die professionellen Regeln ihres Berufsstandes beachten.

Politik ist mein Beruf

Es wird offenbar nicht leicht, alle meine Ziele unter einen Hut zu bringen: also die Krankheit nicht zu ignorieren, kein öffentliches Schauspiel zu bieten und trotzdem noch als politische und damit öffentliche Person zu agieren. Das betrifft schon so banale Fragen wie: Was twitter ich über meine Krankheit oder meinen Aufenthalt im Krankenhaus? Inzwischen tendiere ich dazu, gar nichts mehr zu sagen. Denn ich will es mir und meinen Angehörigen ersparen, meine Leidensgeschichte in der Zeitung zu lesen und immer wieder von allzu vielen darauf angesprochen zu werden. Und ich bestehe weiter darauf, nicht als Kranker, sondern als Politiker in den Medien aufzutauchen.

Ich hab nicht das Problem, dass mir große Unternehmen oder Lobbyverbände unbedingt würden Geld hinterher schmeißen wollen, keine Mandanten, die sich von mir erwarten, dass ich ihnen die Tür in die Vorzimmer der Macht öffne, und niemand will für meine Vorträge zahlen. Ich bin froh, wenn ich überhaupt wo eingeladen werde und meine Politik unter die Leute bringen kann, und wenn von mir mal wo ein paar Zeilen erscheinen, darf ich dankbar sein. Trotzdem kann ich diesem ganzen Gerede von Transparenz „auf Heller und Pfennig“ nichts abgewinnen.

Unpolitische Münzenzählerei

Ich halte den Drang, genau zu wissen, welcher Abgeordnete über welche zusätzlichen Einnahmen verfügt, für völlig unpolitisch. Wie kleingeistig muss man sein und in welch kleiner Münze denken, wenn man auf das bisschen Honorar fixiert ist. Natürlich gibt es Juristen, die sich hinstellen und sagen, Abgeordneter, das sei ihr Nebenjob. Die ihr großes Geschäft mit ihrem politischen Namen machen und der Illusion der Mandanten, dass sie den unmittelbaren Zugang zur Macht bekommen. Aber das halte ich weniger für ein politisches als ein Problem des Justizsystems. „Mächtige“ Kanzleien und „Staranwälte“ versprechen offenbar mehr Chancen. Was war empörender, dass Kohl, Gauweiler, der frühere Postminister Bötsch und andere vom „Medienmogul“ Leo Kirch hinterher mit millionenschweren „Berater-Verträgen“ belohnt wurden oder dass sie bei die Einführung des Privatfernsehens auf seine Konzerninteressen abstellten? Wäre es weniger empörend gewesen, wenn sie später kein Geld bekommen hätten?

Interessen offenlegen wichtiger als Honorare

Wesentlicher Kern einer Demokratie ist der offene Interessensstreit: Es muss offengelegt werden, welche Interessen sich mit einer politischen Maßnahme durchsetzen, welche unterdrückt werden, und dann sucht man einen Interessensausgleich. Dieser Streit geht nicht immer gesittet ab, aber entscheidend ist, dass alle Interessen auf den Tisch kommen und sich niemand durch die Hintertür oder auf kurzem Wege in die Schaltzentralen durchsetzen kann.

Die Gründe, warum sich jemand für bestimmte Interessen einsetzt, sind für den demokratischen Prozess völlig uninteressant, solange es nicht heimlich geschieht. CSU- oder FDP-Abgeordnete müssen nicht dafür bezahlt werden, dass sie „die“ Interessen „der“ Wirtschaft durchsetzen. Es ist vielleicht hilfreich für wenig tief schürfende Gemüter, wenn sie sehen, der Abgeordnete hat von dem Unternehmen oder Verband aus welchen Gründen auch immer Zuwendungen erhalten, es ist also nicht unwahrscheinlich, dass er auch dessen Interessen über Gebühr berücksichtigt. Aber das ist allenfalls ein Hinweis.

Falsche Früchte gegen gute Absichten

Entscheidend ist doch, welche Politik ein Abgeordneter oder eine Partei macht und durchsetzt. Setzen sie einseitig bestimmte Interessen durch oder berücksichtigen sie auch andere Ansprüche und Rechte? An ihren Früchten sollt Ihr sie erkennen. Der gute oder schlechte Wille ist in der Politik belanglos. Wichtig ist, was faktisch gemacht (oder nicht gemacht) wird und welche Folgen es für wen hat, „was hinten rauskommt“ (Kohl). Cui bono? Wem nützt es? Das war die Hauptfrage schon der alten Römer. Hier wäre der Aufklärungsfuror viel nötiger: Jeweils zu hinterfragen, wem welche Politik oder Entscheidung nützt und wem sie schadet. Denn das liegt leider nicht immer offen zutage. Da bedarf es meist ein bisschen Recherche. Aber diese so wichtige Aufklärung wird nur sehr selten geboten.

Sagt uns das Wesentliche, aber bewahrt uns vor dem Kleinkram

Es kann helfen, wenn die Wählerinnen und Wähler wissen, wem sich ein Abgeordneter noch verpflichtet sieht oder zu wem er in welchen finanziellen Abhängigkeiten steckt. Auch Zahlen zu den Dimensionen dieser Verhältnisse können nützen. Ein „Stufenmodell“ macht Sinn. Aber exakt alles vorzurechnen und die verschiedensten privaten Verflechtungen bis hinein in die Familie in aller Kleinlichkeit auszubreiten, das ist eine spießige bürokratische Utopie. Als ob dann alles gut würde. Ich meine, das lenkt vom Wesentlichen ab. Und es interessiert mich nicht. Wir Politikerinnen und Politiker vollziehen ohnehin das meiste bereits im grellen Licht der Öffentlichkeit. „Personalquerelen“, „Machtkämpfe“ oder „Intrigen“ etc. gibt es in jedem Betrieb, in jedem Verband, überall. Aber kaum irgendwo werden sie so öffentlich ausgetragen, nicht nur, um mit Morgenstern zu reden, „ein Anblick gräßlich und gemein“, sondern mit Konsequenzen für die Beteiligten und die Art der Auseinandersetzung. Manches will man gar nicht wissen. Schon gar in der heutigen Medienlandschaft. Es gibt auch ein Recht auf Nichtwissen. Auch „Transparenz“ halte ich nur in Maßen aus.

Herbert Rosendorfer ist tot. Er schien in den letzten Jahren schon etwas aus der Zeit gefallen: einer der letzten bürgerlichen Schriftsteller. Ich weiß nicht, wie oft wir noch vom Ende des bürgerlichen Schriftstellers reden werden, aber seine Art, neben dem „Brotberuf“ zu schreiben, die Themen und die altväterliche Art zu erzählen, also stets mit Hang zum Auktorialen, zum Erzähler, der drübersteht, der ganze Stil des Schreibers und Schreibens war erkennbar nicht mehr von heute. Er hätte nie getwittert oder gebloggt – und facebook wäre ihm vermutlich ein Graus gewesen, hätte er es denn zur Kenntnis genommen. Aber er hat ein paar schöne Bücher geschrieben, vielleicht werden sogar ein, zwei davon bleiben. In „Das Messingherz oder Die kurzen Beine der Wahrheit “ verspottet er das Wirken deutscher Geheimdienste (hier: den BND). Rosendorfer hat 1979 schon alles zu dem Gemenge aus Pfusch, Inkompetenz, Präpotenz und Imponiergehabe gesagt, das jetzt bei Verfassungsschutz und MAD so fürchterliche Nicht-Konsequenzen hatte.

„Der Blechtrommler“

Die Süddeutsche Zeitung schreibt in ihrem heutigen Nachruf – http://www.sueddeutsche.de/bayern/efolgsautor-herbert-rosendorfer-gestorben-spaete-rueckkehr-in-die-heimat-1.1474012 –, er „verfasste Romane und Erzählungen – witzige, feine Stücke Literatur, deren Qualität von der Kritik häufig unterschätzt wurde“. Zu diesen Unterschätzern zählte immer mal wieder auch die SZ. 1999 ging der „Jean-Paul-Preis“, also der bayerische Literaturpreis, an Rosendorfer. Ich war damals neu im Landtag und im Amt als Kulturpolitiker und mit der Wahl sehr einverstanden. Umso mehr habe ich mich am nächsten Tag geärgert über die abfällige Besprechung in der SZ. Sogar der provinzielle Charakter der Verleihung wurde ihm persönlich zugerechnet. Auch mir war aufgefallen, dass die Agierenden nur Männer waren und die Frauen, „vier junge Damen mit bloßen Schultern“, nur Dekoration. Immerhin war damals noch Zehetmair Kulturminister und neben mir saß ein CSU-Abgeordneter, der die bloßen Schultern nicht ohne anzügliche Bemerkungen ansehen konnte. Aber von da auf das Format Rosendorfers schließen konnte man nur, wenn man ihn als Dilettanten („Dichten & Richten“ – „und was noch alles“) verächtlich machen wollte. Hätte man nicht eine Kritikerin schicken können, die wenigstens eine Zeile von ihm selbst gelesen und sich nicht ausschließlich darauf hätte beschränken müssen, die Reden des Abends zu verreißen? Nicht nur aus gerechter Empörung, sondern natürlich auch, um mich als Kulturpolitiker bemerkbar zu machen, habe ich prompt einen Leserbrief an die SZ geschickt. Verständlich und anregend zu schreiben, sei offenbar bei einem deutschen Schriftsteller immer noch eine intellektuelle Todsünde.

Gruß aus dem Yrwental

So schnell hab ich selten eine Reaktion erfahren. Die SZ hat meinen Brief tatsächlich abgedruckt und sofort hat mich Herbert Rosendorfer über Satellit aus Südtirol angerufen. Durch den Satelliten gab es einen Halleffekt, das war damals noch was. Er wollte sich bei mir bedanken für meinen Leserbrief und dafür meine Adresse erfragen. Kurz darauf hat er mir sein Dankesschreiben geschickt, handgeschrieben, auf Briefpapier, wie sich das gehörte.

Wie leicht sind die Menschen zu kränken. Auch die scheinbar Starken. Und wie wohl tut Balsam auch auf die Wunden erfahrener Kämpen. Das hat mich schon erstaunt. Rosendorfer wusste nichts von meinen politischen Ambitionen, die haben ihn auch nicht interessiert. Aber dass irgendein Leser aus Germering ihm, dem bekannten Schriftsteller und Preisträger, beistand, das hat er offenbar gebraucht.

Politiker sind unsensibel – wenn sie überleben wollen

Politiker sind da abgebrühter. Oder sie werden es irgendwann. Es bleibt einem gar nichts anderes übrig. Mich in eigener Sache über „ungerechte“ Beurteilung durch Journalistinnen und Journalisten zu beschweren, hab ich mir zum Glück nie angewöhnt. Allerdings ist mir auch noch nie jemand öffentlich beigesprungen, wie ich damals Rosendorfer. Auch wenn im Lauf der Jahre manches sogar verletzend oder buchstäblich ehrabschneidend war, das einfachste Rezept hieß: so schnell vergessen, wie es die Leserinnen und Leser tun. Wenn der Name in der Zeitung steht und das Bild im Fernsehen ist, hat man als Politiker schon die größte Hürde überwunden. Alles Weitere ist nebensächlich, weil die meisten sich ohnehin nicht daran erinnern können, was gesagt wurde oder man selber sagte. Aber dass ich im Fernsehen, Radio oder der Zeitung war, daran können sich wenigstens meine Bekannten erinnern. Und das braucht man als Politiker auch – allem Geschwätz über „Eitelkeiten“ zum Trotz. Nur wer sich unter all den Mitbewerberinnen und Mitbewerbern einen Namen macht, wird wiedergewählt.

„Bayerns Grüne wollen im Wahlkampf auf eigene Inhalte setzen“, schreibt heute die Nachrichtenagentur dapd. Sie berichtet von der Klausur unserer bayrischen SpitzenpolitikerInnen in Würzburg. Ein Vertreter des Meinungsforschungsinstitutes Infratest dimap habe dazu geraten. „Es sei eine Sache des Herangehens, ob man einen «Krawallwahlkampf» führe oder konstruktiv neue Ideen und Werte aufzeige, sagte der Grünen-Landeschef.“ Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube an die Umsetzbarkeit.

Das Problem mit den Mediengesetzen

Mit dem Verweis auf die Inhalte haben wir schon in den letzten Wahlkämpfen versucht, aus unseren grünen Nöten eine Tugend zu machen. Damit wollten wir den jeweiligen personellen und machtpolitischen Zuspitzungen etwas entgegensetzen bzw. auch leidigen Koalitionsfragen ausweichen, bei denen wir nur eine unglückliche oder gar keine Rolle spielten. Vor allem aber: Inhalte sind seit jeher sozusagen unser Kerngeschäft. Überzeugende, durchdachte Konzepte, neue Ideen und die Fähigkeit, neue Themen auf die politische Tagesordnung zu setzen, das hat uns Grüne immer schon ausgezeichnet. Es ist auch mit Abstand der Hauptgrund, warum unsere Wählerinnen und Wähler sich für uns entscheiden. Aber schon damals war es schwierig, mit eigenen Inhalten durchzudringen. Das war es immer schon. Am katastrophalsten gescheitert sind wir damit auf Bundesebene, als wir bei der Wiedervereinigungswahl 1990 lieber vom Klima reden wollten. Denn so sehr unsere eigenen Leute sich für unsere Inhalte interessieren, in die Medien kommen wir damit meistens nicht. Die Medien berichten am liebsten über die Mehreren und die Schwereren, also beispielsweise jede noch so unverbindliche Ankündigung von Regierungen oder Personen, die etwas zu entscheiden haben, und zwar, als sei es schon Fakt. Bekannte Namen, Machtkonflikte, am liebsten interne, möglichst simple Streitszenarien und Ungewöhnliches, das ist der Stoff, der von Mediengesetzen präferiert wird. Der Neuigkeitswert, dass wir Grünen mal wieder eine gute Idee oder einen praktikablen Vorschlag haben, hält sich da in Grenzen.

Je mehr Kompetenz, desto weniger relevant

Bestes Beispiel sind leider meine Themenfelder: Kultur und Forschung. An sich sind das die Politikfelder, neben Bildung, bei denen die Landespolitik tatsächlich etwas zu entscheiden hat. Aber in die Medien komme ich nicht, wenn ich noch so durchdachte Vorschläge habe, wie die Kulturpolitik in Bayern neu zu organisieren oder die Forschungspolitik neu auszurichten wäre, sondern wenn es symbolischen Streit gibt, etwa um ein Dürer-Bild, oder machtpolitische Verteilungskämpfe, z.B. bei Seehofers neuem großartigen „Kulturkonzept“, also mit „Krawallthemen“.

Inhalte mit beschränkter Wirkung

Um nicht alles den Medien zuzuschieben: Auch selber handeln wir Grünen ja momentan nicht gerade stringent, wenn wir sagen, dass es auf die Inhalte ankommt – und dann führen wir monatelang auf Bundesebene Personaldiskussionen. Und dabei ist die Entscheidung über das Spitzenteam allenfalls mit Stilfragen, aber nicht mit inhaltlichem Richtungsstreit verbunden. Der größte Pferdefuß bei den Inhalten aber ist ein struktureller: Wenn es nicht gerade die Themen sind, die ohnehin auf der Tagesordnung stehen, wie etwa Europa und die Finanzierung der Finanzkrise, und die eher emotionelle als Fachdebatten auslösen, dann haben Inhalte auch den Nachteil, dass sie, wenn man sie tatsächlich sachgerecht angeht, nur sehr beschränkte Zielgruppen interessieren. Fachthemen für eine breite Öffentlichkeit aufzubereiten, das ist eine ganz besondere Herausforderung. Kurz: Wenn wir in den kommenden Wahlkämpfen wirklich mit Inhalten durchdringen wollen, werden wir uns sehr anstrengen müssen.

Vermutlich bin ich sozusagen betriebsblind, weil es meinem Naturell und meinem Hauptantrieb, Politik zu machen entspringt, aber ohne ein bisschen „Krawall“, also emotional aufgeladenem Richtungsstreit, schaut es eher mau aus. Und: wo bleibt dann der Spaß?

Gestern war wieder der unsägliche Michael Kemmer talken im Fernsehen. Ich kann nicht fassen, dass der immer wieder eingeladen wird.

Kemmer ist der, der als Vorstandsvorsitzender der Bayerischen Landesbank in hohem Bogen rausgeschmissen wurde, weil er, so wurde eilfertig erklärt, sich nichts zu Schulden hatte kommen lassen. Deshalb gab es noch einen Goldenem Handschlag, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die BayernLB unter seiner Mitwirkung in dubiosen „Wert“-Papier-Geschäften mindestens 10 Milliarden € Steuergelder verbrannt und auch noch eine bankrotte Bank gekauft hatte. Auf der Straße hat ihn dann sofort der Bundesverband deutscher Banken aufgeklaubt und zum Hauptgeschäftsführer und Vorstandsmitglied gemacht. Das war zu einem Zeitpunkt, als sein früherer Arbeitgeber Landesbank, der Bayerische Landtag und die Staatsanwaltschaft bereits wegen schweren Pflichtverstößen gegen ihn ermittelten. Das sagt schon viel über die deutschen Banken.

Zwei Landesbank-Untersuchungsausschüsse

Über Kemmer selber gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, außer dass er an der größten Pleite der CSU in Bayern maßgeblich beteiligt war: – http://milliardengrab-landesbank.de/ –. Ich hab ihm in zwei Landesbank-Untersuchungsausschüssen gegenübergesessen.

Das erste Mal, 2008, vor der Landtagswahl, ging es um sogenannte Subprime- bzw. ABS-Papiere, also um 36 Milliarden €, die Kemmer und seine Kollegen in billige Häuser-, Handy-, Gebrauchtwaren- und andere Konsumkredite vor allem in den USA gesteckt hatten. Ein Teil der Milliarden ist dann ja auch dort geblieben, so dass nach der Landtagswahl Landesbank und CSU plötzlich eingeräumt haben, dass die BayernLB sofort mit 10 Milliarden € Steuergeldern und nochmal 10 Milliarden öffentlicher Bürgschaften gestützt werden musste. Davor aber, im Untersuchungsausschuss haben Kemmer und Kollegen noch erklärt, dass sie alles richtig gemacht haben, dass es alle so gemacht hätten – und dass wir als politische Laien im Unterschied zu ihnen, den Weltwirtschaftsexperten, keine Ahnung hätten.

Im zweiten Untersuchungsausschuss 2010 waren Kemmer und seine Kollegen dann deutlich schweigsamer. Der Untersuchungsausschuss befasste sich mit dem Kauf der Kärntner HGAA durch die Bayerische Landesbank. Dabei hatte die Bank 3,75 Milliarden € in den Sand gesetzt und noch weitere gut 3 Milliarden als Dauerdarlehen ausstehen – Milliarden, die die Republik Österreich als heutige Eigentümerin als verkapptes Eigenkapital einbehalten will. Da waren also allerhand Fragen offen. Aber obwohl Kemmer eingangs noch ausführlich darlegte, er sei „daran interessiert, hier zur Transparenz beizutragen“, hat er dann nicht mal die banalsten Fragen beantwortet wie: „Wer hat bei Verwaltungsratssitzungen Protokoll geführt?“ „Waren Sie Aufsichtsratsmitglied der Hypo Group Alpe Adria?“ Wie alle anderen hat er die Aussage verweigert – um sich nicht angesichts des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens möglicherweise selber zu belasten.

Haltet den Dieb!

Heute redet Kemmer wieder umso eifriger. So hat er schon mal rausposaunt: „Wir haben keine Bankenkrise, sondern eine Staatsschuldenkrise, weil wir schon zu lange über unsere Verhältnisse leben.“ Das sagt der Mann, der an führender Stelle mit dazu beigetragen hat, dass die
bayerischen und österreichischen Staatsschulden drastisch nach oben schnellten!
Weiter hieß es damals im ZDF-Text, „der Bundesverband der deutschen Banken appelliert nach den Beschlüssen von gestern an die Politik, den Reformdruck auf Griechenland und die übrigen in Bedrängnis geratenen Länder der Euro-Zone aufrechtzuerhalten. Nur dann sei gewährleistet, dass die Beschlüsse zu Schuldenschnitt, Rekapitalisierung der Banken und Hebelung des Rettungsschirms auch die gewünschten Erfolge zeigen, sagt Kemmer zu den Ergebnissen des EU-Gipfels.“ Meinen die, dass sich niemand auch nur ein, zwei Jahre zurückerinnern kann? Denn das sind alles Maßnahmen, die die deutschen Banken vor kurzem noch als Teufelszeug vehement abgelehnt haben. Aber dass die Politik sie nicht trotzdem gegen die Bankenlobby durchgesetzt hat, ist natürlich Politikversagen.

Selbstüberschätzung und Medienlogik

Warum wird so einer trotzdem immer wieder ins Fernsehen eingeladen? Der Nobelpreis-Träger für Wirtschaft, Daniel Kahneman, hat u.a. Funktion und Wirkung von Selbstüberschätzung bei Führungskräften untersucht. Besonders bei Übernahmen, also z.B. der HGAA durch die Bayerische Landesbank, spielt die eine große Rolle: „Die Chefs großer Unternehmen schließen manchmal gewaltige Wetten auf teure Fusionen und Akquisitionen ab, wobei sie von der falschen Annahme ausgehen, sie könnten die Vermögenswerte eines anderen Unternehmens besser nutzen als dessen gegenwärtige Eigentümer.“ Das ist natürlich fast immer eine Illusion. Die Schlussfolgerung Kahnemans kann uns kleine Lichter kaum überraschen: „Die Führungskräfte der übernehmenden Gesellschaft sind schlichtweg weniger kompetent, als sie zu sein glauben.“ Bei den Zeugenbefragungen in den Landesbank-Untersuchungsausschüssen war das mit Händen zu greifen.

Aber Kahneman hat in seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ noch eine andere Erkenntnis parat, zu „Experten“ in Fernsehsendungen: „dass die Experten mit der stärksten Selbstüberschätzung am ehesten eingeladen wurden“. Das haben wir uns natürlich auch schon immer gedacht. Aber jetzt haben wir es auch noch wissenschaftlich bestätigt. Also kein Wunder, dass Kemmer so oft zum Talken kommt.

Heute häufen sich, zumindest gefühlt, die Nichtereignisse, also Ereignisse, die nicht passieren oder bei denen ich nicht dabei bin.

Fliegerhorst Fürstenfeldbruck

Ein ehemaliger Olympia-Teilnehmer, der bei uns im Landkreis wohnt, darf nun doch an der Gedenkfeier für die Opfer des Olympia-Attentats teilnehmen. Erst hieß es aus dem Landratsamt, alle 600 Plätze seien bereits an geladene Gäste vergeben. An mir kann’s nicht liegen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, brav und still auf meinem Stühlchen zu sitzen, und hab deshalb die Einladung ausgeschlagen. Das Bayerische Fernsehen überträgt ab 15.30 Uhr live aus Fürstenfeldbruck.

Keine Erinnerung an Neonazis

Obwohl auch heute wieder die Zeitungen voll sind mit Rückblicken auf das, was vor 40 Jahren passiert ist, hat keine meine Pressemitteilung aufgegriffen zu den deutschen Neonazis, die vor und nach dem Attentat den palästinensischen Terroristen zur Hand gingen. Auch die Spiegel-Kritik kommt nicht mehr vor. Die Neonazis haben es nicht geschafft, das Gesamtbild in irgendeiner Weise zu trüben. Aber das hatten wir ja schon.

Schon früher nicht dabei

Schon bei Olympia 1972, einem der prägendsten Ereignisse in München und seinem Umland, war ich nicht dabei. Dabei sein war für unsere Generation eben nicht alles. Im Gegenteil, das war die Zeit, in der man dahin wollte, wo gerade nicht alle waren. Wenigstens wollte man sich so fühlen. In unserem jugendlichen Leichtsinn sind wir dann zu viert im VW-Bus über den berüchtigten Autoput durch noch nicht Ex-Jugoslawien nach Griechenland. Trotz Diktatur, dank humanistischer Bildung. Auf der Rückreise durch den damals noch nicht berühmten Kosovo, an der albanischen Grenze entlang. Hier war der Bildungsrückgriff nicht ganz so ambitioniert: Karl May, „Das Land der Skipetaren“. Kann sein, dass ich es noch irgendwo im Regal stehen hab. Aber ich werde es nicht überprüfen.

BR-BürgerForum live

20.15 Uhr, Stadthalle Germering „Wenn Bello zur Bestie wird: Müssen Hunde an die Leine?“ Ist die bayerische Kampfhundeverordnung streng genug? Wie stark müssen die Hundebesitzer in die Pflicht genommen werden? Ist eine Leinenpflicht für größere Hunde mit artgerechter Tierhaltung zu vereinbaren? Und: Gibt es überhaupt zu viele Hunde in den Städten und Gemeinden? Wann kommt der Hundeführerschein? Das sind alles Fragen, die ich heute hätte beantworten können. Die Redaktion hat extra nochmals angerufen. Aber ich hab mir schon ganz am Anfang meiner Berufspolitikerkarriere vorgenommen, öffentlich nicht zu allem zu reden. Jetzt kommt das Fernsehen schon mal zu mir nach Germering – und ich geh nicht hin.

Noch nichtigere Nichtereignisse

Dann sind da noch Frauenquote, die die EU einführen wollte, die nicht kommt; der Berliner Flughafen, der heuer nicht mehr eröffnet wird; die Piratenpartei, die schon wieder auf dem Abstieg sein soll, bevor sie am Gipfel angelangt ist; die Sonne, die sich hier im Westen immer noch nicht zeigen will, obwohl es angeblich schon bald wieder regnen wird; meine MitarbeiterInnen, die nicht da sind, weil sie schnell noch ein oder zwei Wochen Urlaub genommen haben …

Nächste Woche ist die sitzungsfreie Zeit des Landtags vorbei.

Gestern Abend kam im Ersten eine Sendung über die Missstände bei Öko-Tierhaltern, die sofort von der Bildzeitung auf Seite 1 aufgegriffen wurde. Und heute titelt auch die Süddeutsche Zeitung in ihrer Printausgabe: „Der Bio-Mythos“, denn, so heißt es im Untertitel, „die bisher umfassendste Analyse zeigt: Bio-Ware unterscheidet sich kaum von konventioneller“.

Skandale im Ökoanbau werden immer wieder instrumentalisiert, um den Anbau insgesamt in Verruf zu bringen. Dabei beruhen diese Skandale auf Verstößen gegen die dem Ökoanbau eigenen Ziele und Regeln. Umgekehrt ist Tierquälerei, Wasserverschmutzung und Artensterben in der industriellen Landwirtschaft ein Systemfehler, kein individuelles Versagen. Trotzdem wird gerne und immer wieder so getan, als seien beide Produktionsformen gleichwertig. Auch was Studien angeht, die angeblich nachweisen, dass es keinen Unterschied bei den Inhaltsstoffen gebe oder in Bezug auf die Gesundheit – immer geht es um die Entlastung der KonsumentInnen bei der Kaufentscheidung: Ihr könnt guten Gewissens auch das Billigere nehmen. Vor allem aber geht es darum, die Weichenstellungen in der Agrarpolitik für Masse statt Klasse und für die großen Profiteure des Agrobusiness abzusichern: Denn es ist angeblich eh egal, wie produziert wird.

Öko ist besser für Klima, Tiere, Menschen

Dabei gibt es keinen begründbaren Zweifel, dass der Ökoanbau gegenüber der Agrarindustrie alle Vorteile auf seiner Seite hat: Er bedeutet erheblich und nachweisbar mehr Umwelt-, Klima-, Boden-, Tierschutz, auch mehr Wertschöpfung und Arbeitsplätze im ländlichen Raum. All das ist seit Jahrzehnten bekannt und trotzdem wird in der öffentlichen Diskussion so getan, als seien Ökoanbau und Agrarindustrie kaum zu unterscheiden. Das erinnert an die öffentliche Meinungsbildung früher bei der Frage des menschengemachten Klimawandels.

Auch die Studie, auf die sich die SZ beruft, wenn sie den „Bio-Mythos“ entlarven will – http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/oekologische-landwirtschaft-der-bio-mythos-1.1458076  –, gibt kein klares Dementi her. Wie eine ähnliche Wiener Studie, die vor ein paar Jahren erschien, trägt sie den wissenschaftlichen Kenntnisstand zusammen in Bezug auf Qualitätsunterschiede von Bio und Konventionell. Hauptergebnis: es gibt dazu kaum  Forschung, und wenn, dann mit wenig verlässlich Ergebnissen. Das gilt selbst für den größten nachgewiesenen Unterschied: „In sieben Prozent der Bio-Proben ließen sich Pestizid-Rückstände nachweisen, bei konventionellen Proben lag die Rate bei 38 Prozent.“ Hier sind die Unterschiede in Bayern– http://www.lgl.bayern.de/ – z.B. bei Obst, Milch und Fleisch deutlich größer. Aber es gibt halt bisher keine Langzeitstudien, und damit keine verlässlichen Aussagen über die Gesundheitsgefahren. Also die Studie sagt: „nix gwiß weiß man nicht“. Die SZ folgert im Kurzschluss: „Es ist egal, was man isst“.

Weil uns nicht alles egal ist

„Der Sinn von Politik ist Freiheit“, sagt die Philosophin Hannah Arendt. Die Freiheit des Handelns bestehe darin, einen Anfang zu setzen und etwas zu beginnen. Das bedeutet, dass wir nichts so hinnehmen müssen, wie wir es vorfinden. Politik heißt: Es gibt Alternativen. Wir haben die Wahl. Wir können was ändern. Kern von Politik ist es, Alternativen aufzuzeigen, also Freiheiten zu schaffen. Das ist für mich der besondere Reiz an Politik.

Auch im Alltagsleben haben wir die Wahl. Das einfachste ist: die verschiedenen Alternativen heute noch ausprobieren.