Wahlkampf vermeiden, um nicht zu verlieren
Seit einigen Jahren wird von „neuen Kriegen“ oder „asymmetrischen Kriegen“ gesprochen: wenn Kriege nicht mehr zwischen Staaten, sondern zwischen ungleichen Gegnern ausgetragen werden. Das ist für uns in Bayern zum einen deswegen interessant, weil wir es seit Jahrzehnten mit einem sozusagen übermächtigen Gegner zu tun haben: https://seppsblog.net/2012/10/03/bayern-ohne-csu/; zum anderen, weil Seehofer Landtagswahl mehrfach zur „Mutter aller Schlachten“ ausgerufen hat: https://seppsblog.net/2012/11/09/die-mutter-aller-schlachten-und-der-vater-des-wunsches/. Kürzlich wurde mein Blog sogar wegen dieses Eintrags aus dem Irak aufgerufen. Aber zurück zur Asymmetrie.
David gegen Goliath?
Klassisches Beispiel (vor dem internationalen Terrorismus) ist die Guerilla. Herfried Münkler schreibt in „Imperien“: „Partisanenkrieg wie Terrorismus meiden die unmittelbare Konfrontation mit dem professionalisierten Erzwingungsapparat der angegriffenen Macht; sie umgehen ihn, um – bildlich gesprochen – im Rücken des Feindes aktiv zu werden und ihn durch permanente kleinere Attacken auf seine Nerven und Versorgungsbahnen zu ermatten. Strategien der Asymmetrierung zielen auf einen erhöhten Ressourcenverbrauch der angegriffenen Macht an den Stellen, an denen sie dadurch am empfindlichsten getroffen wird.“ Diese Kampfform soll die eigene militärische Unterlegenheit kompensieren. Denn die Guerilla muss nicht gewinnen, sie darf nur nicht verlieren. Allein ihre bloße Existenz stellt den Staat oder den Eroberer, den sie bekämpft, in Frage: sein Gewaltmonopol, sein Sicherheitsversprechen.
Chancen des Unterlegenen
Eine Möglichkeit, die dem quantitativ unterlegenen zu Gebote steht, ist laut Edward Luttwak („Strategie“) „das relationale Manöver, das nicht die physische Substanz des Feindes an sich zerstören soll, sondern dazu dient, ihn durch Zerstörung kriegswichtiger Systeme handlungsunfähig zu machen“: „Beim relationalen Manöver wird der Feind nicht dort aufgesucht und mit geballter Kraft angegriffen, wo er seine Stärke konzentriert. Der Ansatz besteht vielmehr darin, seine Stärken zu umgehen und ihn auf einem bestimmten Gebiet anzugreifen, auf dem man selbst überlegen ist und wo man auf Seiten des Feindes physische, psychologische, technische oder organisatorische Schwächen erwartet.“ Für den quantitativ Unterlegenen ist es also ganz entscheidend, dass er das Terrain, auf dem er kämpft, selber bestimmt. Das gilt auch für die derzeitigen Wahlkämpfe.
Merkel und Seehofer vermeiden alles, was eine Niederlage bringen könnte
Aber neu ist, dass die numerisch Stärkeren, nämlich die Schwarzen in den schwarz-gelben Regierenden, scheinbar gemäß obiger Guerilla-Taktik handeln. Sie führen in Berlin und in Bayern ihre Wahlkämpfe so, als müssten sie nicht gewinnen, sondern dürften nur nicht verlieren. Die Regierenden vermeiden mit unterschiedlicher Taktik jeglichen Wahlkampf und damit jede mögliche Niederlage: Merkel, indem sie sich nie in Gefechte einmischt, schon gar nicht interne, also unbeschädigt bleibt, unabhängig vom Ausgang jeglicher Scharmützel. Und Seehofer, indem er jedem konkreten Kampf ausweicht und lieber Gelände räumt, als bereits verloren gegebene Positionen zu verteidigen. „Untätigkeit“, sagt Luttwak, „ist nur für saturierte Mächte ein Erfolg“. Wir werden sehen, ob diese Rechnung aufgeht.
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