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Archiv für den Monat März 2013

Dass ihn seine Heimatgemeinde jetzt ehrt http://www.mittelbayerische.de/index.cfm?pid=10009&pk=895684&p=1, ist ein schöner Anlass, sich mal wieder an Sepp zu erinnern. Er war ja ein Mann von großer Ausstrahlung und sein Leben eine Heldengeschichte der Art, die die Amis „bigger than life“ nennen. Aber darunter oder daneben liefen noch ein paar kleinere Geschichten, die auch erzählt werden wollen.

Der Sepp war der Sepp
Täte man meinen. Trotzdem gab und gibt es bis heute immer wieder Leute, die glauben, der Sepp wäre ich oder ich wäre der Sepp, sprich: die uns beide verwechseln. Selbst vor einem Jahr noch ist mir das wieder passiert, bei den Grünen in Berlin. Das wird in der Regel sehr peinlich, wenn ich den Irrtum aufklären und darauf hinweisen muss, dass ich weder Bürgermeister war noch gestorben bin. Zweimal Sepp D., Biobauer, Bayerisch-Sprecher: das überfordert leicht. Umso leichter als viele nicht mehr wissen, dass „Sepp“ ein Männername ist und kein Gattungsbegriff. Nur ein paar Beispiele einer jahrelangen Verwechslungskomödie.

Der doppelte Sepp
Im Vorwahlkampf 2003 auf dem Freisinger Wochenmarkt höre ich am Infostand: „Ich dachte, Sie haben einen Bart …“ – „Sepp Dürr, der kleine da?“ – „Sind Sie nicht aus Waging?“ Meist weiß ich nicht, wen die Leute mit wem verwechseln. So haben selbst die Eltern meines Mitarbeiters über Jahre geglaubt, er sei bei dem Sepp beschäftigt, der als Daxenberger im Fernsehen auftritt – auch wenn er in Wirklichkeit Dürr heißt. Immer wieder habe ich unter meinem eigenen Namen Anschreiben an den Bürgermeister von Waging oder den grünen Parteivorsitzenden bekommen. Umgekehrt wurde Sepp unter seinem Namen beschimpft für das, was ich wieder im Landtag gesagt habe. So schickte mir die Parteizentrale eines Tages den empörten Brief eines „Merkur“-Lesers: „Sehr geehrter Herr Daxenberger, ich war kein Wähler der ‚Grünen‘, habe Sie und Ihre Aktionen, Herr Daxenberger, immer mit großem Respekt verfolgt. Hut ab vor Ihrem Mut. Was Sie allerdings zu den Überfällen in der U-Bahn von sich gegeben haben, ist an Schwachsinn kaum zu übertreffen. … Haben Sie den Kommentar von Herrn Anastasiadis hier gelesen …“ Ich hatte ihn gelesen. Anastasiadis hat mich persönlich kritisiert und meinen Namen bereits in der ersten Zeile genannt. Aber wenn ein Bild im Kopf mal fix ist, hilft kein Vorschlaghammer.

Der vielgestalte Sepp
Auch auf den regelmäßigen Treffen der grünen Fraktionsvorsitzenden aus Bund und Ländern kam es immer wieder zu Missverständnissen. 2005, als Fischer noch in Amt und Würden war und unsere Konferenz beehrt hatte, hält er beim seinem vorzeitigen Aufbruch bei mir inne und fragt besorgt: „Sepp, wie geht’s dir jetzt?“ Mir hat nichts gefehlt. Aber ich sag ihm, dass es Daxenberger gut gehe, auch wenn die Krankheit bestenfalls gestoppt sei. Darauf nuschelt er sich davon. Aber mir ist es mindestens so peinlich, dass ich offenbar der falsche Sepp bin.
Und obwohl wir uns nun schon solange kennen, verwechseln mich im Laufe der Jahre nicht nur frisch gewählte Fraktionsvorsitzende wie die Berlinerin, sondern auch die aus Bremen und ihr Geschäftsführer. Erstere lobte überschwänglich meine besondere regionale Verwurzelung und Popularität. Die anderen beiden freuten sich, dass es mir wieder besser geht. Leider war ich nicht dabei, als die Kolleginnen und Kollegen dann Sepp getroffen haben, als er selber dann Fraktionsvorsitzender war. Ob sie sich dann gewundert haben, wie stark ich mich schon wieder verändert habe? Oder er?

Ein virtueller Sepp?
So lief das die Jahre über, auf allen Ebenen. Im Dachauer Hinterland, vor der Wirtshaustür: „Sie san nicht der Daxenberger!?“ – „Nein.“ – „…“ – „Ich bin der Dürr.“ – „Hab ich mir doch gleich denkt, zwei Halbe können nicht schuld sein …“ Er wünscht mir nicht nur ein gutes neues Jahr, sondern besonders Gesundheit. Denn er sei zwar „von einer anderen Fraktion“, fände mich aber sehr sympathisch. Meint er jetzt wirklich mich, den Daxenberger oder einen
virtuellen grünen Sepp?
Ein anderes Mal helfe ich, einen Rollstuhlfahrer aus der mit einem Kinderwagen versperrten U-Bahn-Tür zu bekommen. Zum Dank hat dann sein Begleiter zu mir gesagt: „Ah, Sepp Daxenberger!“ Selbst in meinem eigenen Stimmkreis schicken mir die Betriebsrentner eine Einladung zu ihrer Mitgliederversammlung in Dießen: an Sepp Daxenberger, Dorfstr. 8 in Germering. Und als ich im Sommer 2010 wegen der Landesbank wieder einmal in Klagenfurt bin, bekommt mein grüner Kollege Rolf Holub ein kondolierendes Email, in dem der Absender das schreckliche Schicksal bedauert – von „Sepp Dürr und seiner Frau“.

Makaber bis heiter
Da war alles dabei: von makaber bis heiter. Im Wahlkampf 2003 war die Bundestagsfraktion zu unserer Unterstützung auf Klausur in Miesbach. Wir, als „Vierer-Spitzenteam“, haben versucht, etwas von deren Glanz abzubekommen. Es war spät geworden. Filmreif war die Szene danach, die sich nachts um ½ 3 in meinem Zimmer abspielt: auf einmal stehen Sepp und seine Freundin vor meinem Bett. Ich schrecke aus dem Schlaf hoch vom Ausruf: „Da liegt schon einer“. Man hat das Zimmer zweimal vergeben bzw. man hat mich auf Sepps Namen eingecheckt. Unten beim Portier hat sich Sepp schon gewundert, weil sein Chip weg war und jemand unterschrieben hatte. Er habe dann meine „Klaue“ erkannt. Trotzdem sind sie erst mal hoch marschiert und rein ins Zimmer. Dann hat sich seine Freundin eine Zigarette angezündet und beide haben sich auf mein Bett gesetzt und es sich erst mal ein bisschen gemütlich gemacht, obwohl sie am nächsten Tag um 7 nach Waging fahren mussten. Da hatte Sepp die Ruhe weg.

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100 Euro auf die Hand: damit hat Finanzminister Söder in den letzten zwei Jahren zu Weihnachten vor allem mittelfränkische Beamtenwitwen erfreut. Das hat meine Anfrage an den Finanzminister erbracht. Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute im Bayernteil: „Der Witwentröster. Finanzminister Söder hat sich bei Hinterbliebenen von Beamten mit Geldgeschenken beliebt gemacht – vor allem in seiner Heimatstadt“ – http://www.sueddeutsche.de/bayern/geldgeschenke-des-bayerischen-finanzministers-soeder-der-nuernberger-witwentroester-1.1623570.

Feudaler Brauch: Gnade statt Recht
Offenbar existiert im Finanzministerium seit der Nachkriegszeit ein Brauch, zu den Festtagen bei bis zu „20 besonders unterstützungsbedürftigen Angehörigen ehemaliger Beamter“ die Pension aufzubessern. Dieser Brauch selber ist schon merkwürdig feudal und vordemokratisch. Denn das geht nach dem Motto: Gnade statt Recht. Aber der Staat muss seine Beamten und ihre Angehörigen ausreichend alimentieren, dann braucht es keine Gnadenakte.
Der letzte, der personenbezogene Spenden in großem Stil ausgezahlt hat, war übrigens der verblichene Kärntner Landeshauptmann Haider. Der hatte sich vor Weihnachten mit der Handkassa vor den Regierungssitz begeben, um Bedürftigen 100 Euro bar auszuzahlen. Da war die feudale, persönliche Bindung natürlich noch unmittelbarer.

„Landschaftspflege“ mit staatlichen Mitteln
Nun ist dieser Brauch schon merkwürdig genug. Aber noch kruder ist, dass unter Söder 2011 elf Empfängerinnen aus Mittelfranken und darunter wiederum 10 aus Nürnberg kommen, 2012 waren es 13 bzw. 12. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Dass vor der Landtagswahl vor allem Witwen im Nürnberger Raum bedürftig sein sollen, lässt sich ja wohl nur Söders Kandidatur in Mittelfranken erklären.
Es sind ja keine großen Beträge, aber im Kleinen zeigt sich, wes schäbigen Geistes Kind Söder ist. Ihm ist in seinem Ehrgeiz jedes Mittel Recht und keines zu gering.

Anfrage „Verwendung freier Mittel durch Finanzminister Söder“ vom 17. Januar 2013: http://www.sepp-duerr.de/upload/pdf/130222_Anfrage_Sder.pdf

Es ist schon nicht mehr lustig, wenn Frauen, deren Job es ist, Missstände anzuprangern und zu beseitigen, plötzlich Skrupel und Zweifel an der eignen Politik bekommen: Der Begriff „Herdprämie“ heißt es, diffamiere die Mütter, die sie in Anspruch nehmen. Statt gemeinsam die falschen Strukturen zu ändern, werden Frauen wieder einmal gegen Frauen ins Spiel gebracht – und diejenigen, die das tun oder mit sich machen lassen, fühlen sich auch noch besonders solidarisch und sensibel.

Gerechtigkeit beginnt unten
Wir Grünen schreiben niemandem vor, wie er oder sie zu leben hätte, im Rahmen der bestehenden Gesetze, versteht sich. Das heißt aber nicht, dass jedes Familien- oder Lebensmodell eine besondere Förderung braucht oder bekommen soll. Privilegierte Lebensentwürfe etwa funktionieren auch ohne finanzielle Mitnahmeeffekte. Politik muss in erster Linie auf Gerechtigkeit und Chancen für diejenigen achten, die bereits benachteiligt sind. Da sind und bleiben Kinderbetreuungsmöglichkeiten nun mal das A & O, sowohl für die Eltern wie für insbesondere die Kinder, die zusätzliche staatliche Fördermaßnahmen bestens brauchen können. Da muss ich noch nicht mal die Folgen anführen, die die Einführung der Herdprämie in Thüringen hatte, um sie als kontraproduktiv auszusortieren.

Teures Placebo
Die Herdprämie ist eine Lösung, für die es kein wirklich großes Problem gibt – bzw. während es noch wesentlich größere ungelöste Probleme gibt. Natürlich ist es aller Ehren wert, wenn Mütter (und in seltenen Ausnahmefällen vielleicht sogar mal ein Vater) zu Hause bleiben, um die Kinder groß zu ziehen und sie bestmöglichst zu versorgen. Aber ob sie das tun oder nicht, entscheidet sich weitgehend unabhängig vom Vorhandensein einer Herdprämie. Es geht faktisch also auf der Elternseite um Mitnahmeeffekte. Die seien allen gegönnt – aber erst, wenn wir in der Kinder- und Bildungspolitik viel dringendere und kostspieligere Aufgaben gelöst haben. Wegen der Prämie wird es keine wesentliche Verbesserung geben, weder für Eltern noch im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen.

Die Herdprämie ist ein ideologisches Kampfmittel
Warum, wenn sie faktisch nichts bringt, wurde dann die Herdprämie mit so einem großen Aufwand eingeführt? Es geht um die ideologischen, vorgestrigen Familienbilder, die dahinter stecken: „Die heilige Familie: Vater, Mutter, Kind“, wobei Mutter und Kind eine untrennbare Einheit bilden – und die Mutter zum Kind an Krippe und Herd gehört. Dieses überholte Familienbild soll noch einmal aggressiv bestätigt werden, dabei halten es selbst Zweidrittel der CSU-Wählerinnen und -Wähler nicht mehr für zeitgemäß. Die Herdprämie ist deshalb eine Herdprämie, weil sie eingeführt wurde, um dieses gesellschaftspolitische Signal auszusenden: Frauen an den Herd. Nur wenn sich Mütter mit diesem überholten Familienbild identifizieren, können sie sich von Kritik daran „diskriminiert“ fühlen. Die angemessene Reaktion aber wäre, sich zu distanzieren und die Anmutung der Herdprämie als die Diskriminierung zu kritisieren, die sie ist.