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Archiv für den Monat Dezember 2012

Ich hab solche Typen schon auf dem Schulhof gehasst: unreif, unsicher, großspurig, aber an Kleineren demonstrieren wollen, wer der vermeintlich Stärkere ist. Feig sind sie meist auch noch, sie gehen mit dem Risiko gerne sichere Wetten ein, das Risiko soll ruhig real sein, aber es darf nicht unmittelbar bestehen. So wie bei Seehofer die Angst, dass ihn die eigenen Leute einst in die Tonne treten. Die ist mehr als real, das wird passieren so sicher wie das Ende von Stoiber, und heute nimmt sich Seehofer darauf schon einen kräftigen Bonus. Mehr als über ihn herfallen können die Loser von heute über ihn, den Loser von morgen, dann auch nicht. Ob sie ihn auch hassen oder nur abservieren ist, ist für ihn als Machtpolitiker egal. Aber er nimmt sich heute noch seinen makabren Spaß, genießt, dass er endlich am Hebel sitzt und kujoniert, wie das in der Fachsprache des Absolutismus heißt, seine Untergebenen: http://www.sueddeutsche.de/bayern/csu-chef-laestert-ueber-finanzminister-wie-seehofer-soeder-demontiert-1.1549042-2. http://www.sueddeutsche.de/bayern/csu-chef-beschimpft-parteikollegen-seehofers-laesterrunde-1.1547999. http://blog.br.de/landespolitik/2012/12/12/seehofers-lastereien/.

Er tritt auf Leute ein, die vor ihm im Staub liegen

Untergebene, also mögliche Opfer Seehofers, sind dabei alle, die in irgendeiner Weise vom Erfolg der CSU unter seiner Führung, die also von ihm, abhängen. Das lässt er diejenigen gerne spüren. Denn das bedeutet ihm viel. Dass so viele von ihm abhängen und ihn nicht abhängen können, selbst wenn er sich höchst schäbig verhält. Bürgerlicher Anstand ist das nicht. Sogar der absolute Herrschertyp der Neuzeit hat sich zu seinem eigenen Schutz Selbstbeschränkungen auferlegt und gegenüber seinen Untertanen Schranken. Aber auch in Seehofers Halbstarken-Zeit konnte man so hinterfotzig kein Held werden. Die Schonung des unterlegenen Gegners nicht zuzugestehen schien erst eine Macke der S-Bahn-Schläger: auf Leute einzutreten, die schon am Boden liegen, dafür muss man sehr wenig Selbstbewusstsein und Empathie aufbringen. Aber dass jemand auf unterlegenen, abhängigen „Freunden“ herumtrampelt, scheint ein völlig neues Phänomen. Wenn es wenigstens nur vermeintlich Mächtige wären, wie Minister, aber Seehofer macht auch vor abhängig Beschäftigten nicht halt.

Er ist ein Star, dank CSU, aber niemand holt ihn raus

Vielleicht ist das tatsächlich ein Zeitphänomen, vielleicht ist es das, was sich in den Firmen abspielt unter dem Begriff „Mobbing“, dass die formal Starken die strukturell Schwachen schikanieren – aus Angst, die Machtverhältnisse könnten sich bald ändern, und weil sie über so gar kein von ihrem Ranking unabhängiges Selbstwertgefühl verfügen. Schon vor ein paar Jahren hat Seehofer in der CSU herumgestochert wie in einem Ameisenhaufen, angeblich auf der Suche nach einem „Aufstand“, von dem er sicher wusste, dass er noch nicht kommen konnte. Vermutlich ist die CSU den anderen Parteien da einfach voraus. Denn Machtkämpfe und Intrigen gab es schon immer, aber neu ist diese Lust am Demonstrieren, am Inszenieren der aktuellen Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse. Eine Prise „Big Brother“ und „Dschungel-Camp“? Vermutlich würde auch Seehofer am liebsten sagen: „Ich bin ein Star. Holt mich hier raus.“ Aber sein Dschungel ist die CSU und nur dort ist er ein Star. Vielleicht strampelt er umso heftiger, weil er so gar keine Chance hat, loszukommen bzw. seine ganze Kraft, die er nun auch teilweise gegen sie richtet, nur der CSU verdankt.

Schon von Anfang an auffällig: Oh wie locker!

Schon im November 2008, bei der Corinne-Buchpreisverleihung, da war er frisch im Amt, ist er auffällig geworden. Er wirkte wie ein tapsiges, tollpatschiges Riesenbaby: „Grins, grins, ich bin gespannt was ich jetzt wieder tue. Oh, was hab ich jetzt Schönes angestellt!“ Damals kam er groß raus, weil er andere locker kleinmachte, als er die Laudatio halten sollte: „Das sind die berühmten Stoiber-Blätter“, zeigte er einen Stapel grüne Seiten vor. „Ich habe in den wenigen Tagen meines neuen Amtes erfahren, dass das Vorlesen dieser Blätter von vielen in der Bevölkerung empfunden wird als Fortsetzung der mittelalterlichen Folter in der Moderne. – Diese Folter erspare ich ihnen.“ Er lässt die eigenen Mitarbeiter nach bekannten Standards Reden schreiben und schmeißt sie dann weg. Desavouiert öffentlich. Erstaunlich wie positiv das ankommt. Schon ist der BR-Reporter Rudi Erhart da und hält mir ein Mikro unter die Nase. Es sei doch toll, von so einem Ministerpräsidenten regiert zu werden. Heftig antworte ich, ich hätte das „menschenverachtend“ gefunden, und ziehe vom Leder und setze am Ende noch ein „beschissen“ drauf. Da ist er erst mal perplex. Später kommt er wieder, erzählt mir, ich hätte eine „Einzelmeinung“, ob er das senden solle? Und er diskutiert mit mir, wie sehr ich falsch läge, wird wütend, als ich etwas einwende von „Witze auf Kosten von anderen“, das müsse gerade ich sagen; worauf ich entgegne, da seien die anderen immer da und könnten sich wehren. Ist das heutzutage so schwer zu unterscheiden?

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